Zwei Löwenmamas
Aus Steinen, die man uns in den Weg legt, bauen wir etwas besonders Schönes
Dieses Zitat passt am besten zu uns. Wir sind Jana und Vanessa 30 Jahre jung, unsere Herzenstochter 3 Jahre und unser Sohn wird in den nächsten Tagen schlüpfen.
Wir leben in einem Dorf im Grünen in einem schönen Haus und sind auf dem besten Weg zu den perfekten Spießern zu mutieren; Samstags den Vorgarten und die Straße fegen, abends die Blumen und den Rasen gießen und die Autos könnten wohl dringend mal wieder eine Waschstraße von innen sehen. Allerdings fehlt uns dafür die Zeit.
Wir sind Pflegeeltern! Eigentlich nennt man uns sogar eine sozialpädagogische Lebensgemeinschaft.
Wir haben uns im Januar 2014 dazu entschieden einen zwei jährigen Jungen bei uns aufzunehmen. Er lebte zu diesem Zeitpunkt in einem Mutter-Kind-Haus, in dem ich gearbeitet habe. Nachdem wir vom Jugendamt überprüft wurden und alle Unterlagen (Führungszeugnis, Gesundheitszeugnis, Lohnnachweise, Rauchmelder in jedem Raum, Feuerlöscher nach F in jeder Etage des Hauses, ein min. 12qm großes Kinderzimmer, Treppengitter und einen Zaun im Garten) eingereicht hatten, brauchten wir noch einen Träger. Träger sind nötig, wenn man als sozialpädagogische Lebensgemeinschaft ein Kind bei sich aufnehmen möchte. Sie übernehmen anstelle des Jugendamtes die Betreuung der Pflegestelle.
Einen Träger für unsere Konstellation zu finden war wirklich nicht einfach, damals lebten wir zwar in Köln (angeblich ja so tolerant) aber wir waren trotzdem erst 26 und 27 Jahre jung, lesbisch und dazu nicht einmal verheiratet!
Das gefiel den meisten der sechs Träger, die wir kontaktiert hatten einfach mal so gar nicht. Wir wurden nach mühsamer Suche dennoch fündig und es lief alles wirklich schnell. Das Zimmer war fertig und wir warteten ab, ob es zur Aufnahme des kleinen Jungen kommen konnte.
Erst im Juni fiel eine Entscheidung. Die zuständige Sachbearbeiterin suchte eine Familie mit Geschwisterkindern für den kleinen Muck. Wir waren zutiefst enttäuscht, wir besprachen mit dem Träger, dass wir uns erst einmal etwas Ruhe gönnen wollten um die emotionale Achterbahnfahrt während der Überprüfungszeit und des Wartens zu verarbeiten. Man teilte uns mit, dass während der Sommerferien, erfahrungsgemäß eh nichts passieren würde. Dass es plötzlich und sehr schnell doch anders kommen sollte, ahnte niemand!
In unserem Urlaub, in der Karibik erhielten wir einen oder viel mehr, DEN Anruf!
Wir sollten doch bitte unbedingt unverzüglich nach Hause kommen, für ein Baby welches in den nächsten Tagen geboren werden würde, wurde dringend eine Familie gesucht! Das waren mal Nachrichten!
Ab diesem Zeitpunkt waren wir beide schwanger, ich hatte ganz schlimme Übelkeit und die nächsten fünf Tage in der Karibik sprachen wir über nichts anderes, als bald eine Familie zu sein. Wir beide werden Mamas.
Fünf Tage später und ebenso vielen schlaflosen Nächten, trafen wir uns nach der Landung direkt mit dem zuständigen Jugendamt und unserem Träger. Innerhalb der nächsten beiden Tage hatten wir alles besorgt; Maxi Cosi, Babybeistellbett, Spucktücher, Windeln, Milch und Flaschen und Kleidung in der Gr.50. Eine komplette Erstausstattung für ein Neugeborenes.
Und dann kam er. DER Anruf! Man bat uns, sofort ins Krankenhaus zu kommen. Die Geburt hatte begonnen. Acht Stunden warteten wir vor dem Kreissaal und fieberten dem Augenblick des Kennenlernens entgegen! Und dann?
– dann bekamen wir unsere Herzenstochter, gerade eine Minute alt direkt auf unsere Brust gelegt. Sie kuschelte sich an meine Halsschlagader und fing an zu saugen. Sie war so unglaublich perfekt. Wir drei fühlten uns sofort miteinander verbunden. Drei Herzen, die ab heute im gleichen Takt schlagen würden.
Nach sechs Stunden kuscheln und Bonding, durften wir nach der U1 nach Hause fahren. Seit diesem Tag sind mittlerweile fast 4 Jahre vergangen. Wir teilen die gleiche Gestik, die gleiche Mimik, die gleichen Locken, der einzige offensichtliche Unterschied ist unsere Hautfarbe. Das ist der Grund, weshalb wir uns ganz bewusst einen farbigen Samenspender für unseren Sohn ausgesucht haben.
Die Welt sieht nur mit den Augen, doch nur mit den Herzen sieht man das Innere!
Leider mussten wir letztes Jahr mit viel Energie um unsere Tochter kämpfen. Die leibliche Mutter der kleinen stellte einen Antrag auf Rückführung! Nach drei Jahren und nur sieben Besuchskontakten in dieser Zeit, wollte die leibliche Mutter ihre Tochter zurück haben. Das schlimmste daran war, dass das Oberlandesgericht wirklich 4 ½ Stunden darüber verhandeln musste, um zu dem Entschluss zu kommen; dass hier zwar offensichtlich eine „ungünstige Familienkonstruktion“ gewählt wurde (die leibliche Mutter echauffierte sich darüber, dass wir ein lesbisches Paar sind) aber eine Rückführung wäre ein Experiment am Kind und das könne man nicht unterstützen.
Aus dem Stein, der uns mal wieder in den Weg gelegt wurde, bauten wir uns wohl etwas besonders Schönes! Denn nachdem wir diesen kräftezehrenden Kampf endlich gewonnen haben, wurde meine Frau nach dem fünften Versuch schwanger!

Die große Schwester freut sich sehr und um wirklich alles abzurunden, haben wir unsere eingetragene Lebenspartnerschaft vom 14. Mai 2016 am 14. Mai 2018 in eine Ehe umschreiben lassen und sind somit endlich rechtlich verheiratet!
Wir beide hoffen wirklich sehr, dass vier Jugendämter, zwei Träger und drei Vormünder für unsere Herzenstochter, in nicht einmal vier Jahren, reichen. Wir haben genug Steine in den Weg gelegt bekommen und uns wirklich etwas Schönes daraus gebaut!
Ich hoffe sehr, wir dürfen unseren Kindern Flügel schenken und sie mit ihren Wurzeln wachsen sehen. So lange, wie es möglich ist. Notfalls werden wir weiter kämpfen! Immer!
-denn wir beide sind Löwenmamas!
Wunderschön geschrieben 🍀 ich wünsche euch nur das beste für eure wunderbare und besondere Familie